Was eher Zufall ist, da niemand in der Lage war, mir zu verraten, woraus das von jedem Gast zwingend zu ordernde und im Voraus per Kreditkarte zu bezahlende Menü zu knapp 500 Dollar pro Nase bzw. in meinem Falle Schnauze denn so bestehen würde. Fotografieren durfte man auch nicht, deswegen heute mal nur Hörfunk. Die Erwartungshaltung war angesichts der himalayischen Preise natürlich ähnlich hoch wie die Koeffizienten der Weinkarte. Obwohl natürlich immer noch mehr geht. Die erste echte Amtshandlung des Sushimeisters bestand darin, dass er mir vorschlug, mein Menü doch noch um japanisches Rindfleisch zu ergänzen. Für den minimalen Aufschlag von 150 Dollar. An dieser Stelle verließ mich dann sogar mein Fressperanto, ich tat als verstünde ich nicht und winkte großzügig ab. Von irgendwo kommt plötzlich der erste Gang. Und der sieht aus wie eine Schokotrüffel. Besteht in Wahrheit aber aus Algenspänen, die sich um eine Masse aus Sellerie- und Gurkenschnitzen hüllen, in die nach Auskunft des Sushimeisters wiederum kleine Quallenstücke gesetzt waren. Die Qualle war weder geschmacklich noch optisch wahrnehmbar, gehört an sich auch gar nicht zu den Dingen, die ich unbedingt essen möchte. Das Ganze schmeckte nur nach Sellerie und nicht besonders interessant. Recht sinnfrei. Gleich danach der Höhepunkt des Abends, ohne dass ich da allzuviel vorweg nehmen wollte. Kaviar von exquisiter Qualität wurde recht großzügig auf einen tartarisierten rohen Thunfisch geschlichtet. Obenauf noch drei bis fünf Schnittlauchröllchen, mehr nicht. Perfekte Zutaten, in perfekter Temperatur und perfekter Dosierung miteinander verbunden. Küche kann so einfach sein, ein Hochgenuss. Dazu wurden auf einem heißen Keramikstein zwei Toasteckchen serviert, die den Kaviar glänzend untermalten. Leider sollte es das einzige Brot sein, das ich an diesem Abend zu sehen bekam. Meiner Unart, nebenher immer mal wieder etwas Baguette zu mümmeln, um den Gaumen zu neutralisieren, wurde also kein Vorschub geleistet. Im Gegenteil, auf ausdrückliche Nachfrage wurde ich beschieden, man habe kein Brot im Haus.
Deplorabel das Dessert, ein Grapefruitsorbet, das eigentlich ein reines Granité war und viel zu säuerlich daher kam. Dazu ein rauchiger Tee, sinnfrei und wirklich nicht zum "Sorbet" passend. Nach rund 80 Minuten war das Spektakel vorbei, knapp dreißig kleine Häppchen verputzt und 500 Dollar verbrannt. Viel zu teuer, gar keine Frage, das böse Wort der Abzocke waberte mir so etwa ab der Mitte des Parcours durch das Hirnkastl.
Natürlich kann man sich trefflich drüber streiten, ob und wie japanische Küche allgemein und Sushi insbesondere mit unseren europäischen Essgewohnheiten und Sternemaßstäben unter einen Hut gebracht werden kann.
Letztlich sicherlich ein recht individuelle Geschichte, die jeder für sich mit seinem Gaumen ausmachen muss. Mir fehlte es im Masa jedenfalls an der Kreativität, am Überraschungsmoment, dem innovativen Effekt.
Mas(s)aker am Geldbeutel! Einen Betrag, für den man zwei ausgedehnte Abende in Lokalen wie der Traube Tonbach, in der Rottacher Überfahrt oder der Auberge de l'Ill zelebrieren und höchste Kochkunst genießen kann, muss man hier auf den Tisch legen, um etwas lieblos im Hauruck-Verfahren mit Kunsthandwerk abgespeist zu werden.
Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass hinter dem Baum und dem frisch geharkten Kies irgendwo der Patron in der Kulisse saß und sich vor Lachen über seine Gäste tiefere Furchen in die Schenkel schlug als sie der Rechen dem Kies beigebracht hatte. Doch es geht auch noch viel besser in New York, das großartigste Lokal von Manhattan steht sowieso in Brooklyn.
Dazu mehr im 12. Etappenabschnitt!