WGW - Willis Gourmet Werkstatt
Vierschänkentournee Etappe 6
Pierre Gagnaire

Hoeneß in den Knast? Tja, so sieht es aus, der Runde muss ins Eckige, hat der Richter entschieden und zwar gleich mal für dreieinhalb Jahre. Wobei das nur der Zwischenstand nach dem ersten Tag der Urteilsverkündung ist. Experten gehen davon aus, dass sich die Strafe bis zum zweiten Tag der Urteilsverkündung noch auf 27,2 Jahre erhöhen wird. Schuld waren vor allem Fehler in der Abwehr, analysierte Hoeneß nach dem (Schau-)Spiel, meine Verteidiger haben die Räume so eng gemacht, dass ich am Ende in der Zelle landen musste. In der JVA München freut man sich auf den prominenten Gast, der insbesondere unter der Dusche sicherlich gerne in Manndeckung genommen werden wird. Wer sich da zu lange nach der Seife bückte, lernt eine ganz neue Bedeutung des Wortes "Strafstoß" kennen. Oder darf der Hoeneß in den offenen Vollzug? Elektronische Fußfessel als Viererkette des kleinen Mannes? Wäre auch eine Lösung.

Ich traue mich nach dem ganzen Rummel jedenfalls nicht mehr, mein Geld in die Schweiz zu bringen. Die Schweizer haben doch neulich sowieso abgestimmt, dass sie nichts und niemanden mehr aus dem Ausland reinlassen wollen. Also trage ich meine Flocken brav nach Frankreich. Zum Beispiel zu Pierre Gagnaire. Der hat sein Restaurant an der rue Balzac, so dicht am Etoile, dass man es mit einem gut gezielten Hinkelsteinwurf lässig treffen könnte, ganz ohne Zaubertrankdoping, ja sogar ohne den Keksriegel von Sachbachers Evchen.
Also auf zu Gagnaire! Zwei Gläschen Champagner vorweg, einen Rosé von Billecart für die beste Igelin von allen und einen Lanson extra age für mich.

Dann kamen auch schon die Vorspeisen, insgesamt waren es fünf, die vom Format her so zwischen Amuse und kleinem Entrée lagen und alle gleichzeitig serviert wurden. Als erstes die Salade Felicia - eine Mischung aus Choucroute und Ratatouille unter einer Glocke aus ausgehärtetem Zitronenkristall - dazu ein kleines Raukenblättchen, das genau den nötigen Pfiff gibt, genial!

Dann ein Wodkagranité mit Birne und Gorgonzola, unter einer Garnitur von Sellerie und Mangoschnitzen, eine himmlische Mariage verschiedenster Komponenten, die perfekt miteinander harmonierten.
Köstlich auch der grüne Spargel mit Stachelbeerschachbrett, frisch, perfekt gewürzt, in einer ganz leichten weißen Sauce mit Anklängen von Bearnaise, in die aber auch ein Haucherl Koriander mit eingegangen ist:
Ebenso sensationell auch das Haddocksoufflé, das mit Weißkohlchips und einigen feinen über die Chips gehobelten Selleriestreifen serviert wurde:


Lediglich das Muschelcarpaccio mit Sauce von Espeletteschoten und Tintenfischdaube ließ ein wenig an Feinheit vermissen, Ketzer könnten lästern, der Weg zum Thunfisch in Tomatensauce von Saupiquet wäre nicht allzu weit....:
Dennoch ein donnernder Auftakt, zu dem der 2012-er Condrieu DePoncins von Francois Villard bestens passte. Nur mit dem Gorgonzola kam der Viognier nicht ganz mit, zu den anderen vier Köstlichkeiten passte er perfekt.
 Weiter zum Hauptgericht: Gagnaire fuhr eine Renke auf, unter der knusprigen Haut gebraten, mit Zitronentandoori-Sauce, Butter Müllerin, Preißelbeerconcassée und Spinatpüree, dazu weiße Rübchen mit Schnitzen von der rosa Pampelmuse in Kressesauce.

Wieder einmal so eine Geschichte, wo man am Tisch die Komponenten nach Belieben kombinieren kann. Egal was man macht, es passt immer.

Regelrechte Geschmacksexplosionen am Gaumen, ein Fest! Zumal der Condrieu fast noch besser dazu passte als der quergestreifte JVA-Anzug zum Hoeneß. Von der Müllerinnenbutter gab es für Gierschlünde noch ein Tiegelchen extra. Guuuute Politik!
Es folgten die Desserts. Da ging es wieder zu wie bei den Vorspeisen - der Tisch wurde bis zur Kante vollgepackt. Erst kamen einige Rettungsinselchen voller Petits Fours. Dann ein krachend knuspriges Haselnussplätzchen mit Papayawürfeln, genial!
Klassischer aber nicht weniger gut, weil extrem fein gearbeitet und ebenso fein im Geschmack:

Die Mandelhippe mit Pistazien, karamellisierten Mandelblättchen, Schokoladensauce und Pistazieneis. Großes Kino!

Ein Süppchen von konfitierten Früchten mit Kumquat, Trauben, Mango, rosa Grapefruit und ein paar Raukeblättern.

Und genau die sind's, die den Kick geben und dieses Dessert so einmalig machen. Totensimpel, aber draufkommen muss man halt.
Ehe schließlich der gekochte Obstsalat von Mango und Papaya, mit einem Hauch Passionsfrucht, Lakritzeis und weißen Bohnen den Abschluss machte.

Auch hier tanzt eigentlich nur ein Element aus der Reihe, die Bohnen. Die aber mit ihrer mehligen Textur einen schönen Kontrapunkt zum Eis setzen. Die erdige Lakritz spielt schön mit  dem Bohnenaroma, die Fruchtnoten geben die nötige Säure und Blume, raffiniert!

Fazit: Für 85 Euro gibt Gagnaire seinen Mittagsgästen einen tiefen und sehr vielschichtigen Einblick in seine Küche. Insgesamt waren es mit den vorher noch gereichten Amuses wohl an die fünfzehn Kleinigkeiten, die wir probieren durften.

Jede für sich vielschichtig und opulent komponiert, wie es eben der Stil des Hauses ist. Trotzdem wirkt das Ganze eher klassisch als avantgardistisch - und gerade deswegen ist es wahrscheinlich so gut! Die drei Sterne sind mehr als verdient, Gagnaire bleibt mit Ducasse und Savoy zusammen an der absoluten Spitze in Paris.

Trotz alledem geht es gleich nach der Werbung weiter mit dem siebten Stopp der Etappe.

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